Pium Patt
Begeben Sie sich auf eine Entdeckungsreise in Borgholzhausen.
Auf dem Pium Patt* erkunden Sie Gebäude von historischer Bedeutung für diesen Ort.
Wir laden Sie auf mit interaktiven Karte interessante Informationen nachzulesen. Durch einen Klick gelangen sie zum jeweiligen Inhalt.
*Pium – Ist der Spitzname von Borgholzhausen und wird als Synonym für den Ortsnamen verwendet.
*Patt – niederdeutsche Bezeichnung für einen Weg
Das traufenständige Ackerbürgerhaus mit Querdeele wurde 1799 vom Camerarius Friedrich Upmeyer für seine Bediensteten erbaut. Es ist das letzte dieser Art im Ort erhaltene Gebäude.
Seine Bewohner waren Ackerbürger. Sie lebten von einem kleinen Stück Land am Haus, das sie nicht ausschließlich ernähren konnte. Deshalb übten sie gleichzeitig ein Handwerk aus oder verdingten sich beim Bauern. Auf alle Fälle waren sie Bürger einer Stadt, denn Borgholzhausen besaß seit 1719 Stadtrechte.
Heute betreiben der Heimatverein und der Kulturverein das Haus als kleines Museum mit originalen Kostbarkeiten aus dem Ort und seiner engeren Umgebung. Die Deele dient als Versammlung- und Veranstaltungsraum.
Der Uphof ist der größte und älteste Hof in Borgholzhausen. Seine Wurzeln reichen bis in die Zeit Karls des Großen um 800 n. Chr. zurück.
Der Frankenkaiser hatte das hiesige Sachsenland nach einem 30 Jahre währenden Krieg unterworfen. Zur Wahrung der öffentlichen Ordnung betraute er ihm genehme Großbauern, die Meier (lateinisch „majores“), mit öffentlichen Aufgaben wie die niedere Rechtsprechung und die Organisation von Wehrleistungen. Aus den Meiern im Umkreis hob sich der Upmeyer als oberer d. h. bedeutenderer heraus.
Das heutige Bauernhaus im Stil des westfälischen Fachwerks wurde 1796 von Camerarius Friedrich Upmeyer errichtet.
Die Inschrift über dem Deelentor zeugt vom Selbstbewusstsein seines Erbauers: „Missgunst kann nicht schaden. Was Gott will, muß geraden. Die mir nicht gönnen und nicht geben, die müssen leiden, daß ich lebe…“
Das Fachwerkhaus diente nur für relativ kurze Zeit als Pfarrhaus, ist jedoch für das Kirchspiel und das Ortsbild bedeutsam.
Erbaut wurde es 1654 von Pfarrer Georg Dreckmann und seiner Gattin Catharina Elsabein Sandhagen aus einer traditionsreichen Pastorenfamilie. Ihr Urgroßvater führte um 1535 die Reformation in Borgholzhausen ein, und ihr Vater gründete die erste Schule im Ort. Sie selbst wurde die Stammmutter der weit verzweigten Pfarrerfamilie Drechmann und Löning.
Das große Deelentor erinnert daran, dass dieses Haus ein Ackerbürgerhaus war. Jeder Pfarrer musste seinen Lebensunterhalt mit einer eigenen Landwirtschaft sicherstellen.
Auffallend sind die Ornamente der Weserrenaissance: der Zierbalken mit seinen farbigen Halbkreisrosetten über einem reichhaltig gestalteten Schwellbalken, dessen Motive sich nicht wiederholen.
In diesem in dem ländlichen Ort auffallenden zweigeschossigen Fachwerkbau lebte um 1850 der Uhrmacher Koch, der in einem skurrilen Gedicht die Aufregung der Händler und Handwerker beschrieb, als sich in der Stadt ein weiterer Textilhändler niederlassen wollte. Hatten die Geschäftsleute doch schon genug unter der bestehenden Konkurrenz zu leiden.
Das Gedicht ist das älteste Dokument, in dem der Spitzname „Pium“ für Borgholzhausen erscheint. Es trägt den unaussprechlichen Titel „Kuüerrigge an der scharpen Ecke in Mocum Pium…“ und zeichnet ein lebendiges Bild vom täglichen Leben, in dem die gebildeten Leute Hochdeutsch, die Bauern platt und die Juden jiddisch sprachen. Trotz aller Querelen verstanden sich die Leute.
Auf dem Kirchhof begann zur Zeit Karls des Großen um 800 n. Chr. die Entwicklung des Ortes von einer kleinen bäuerlichen Gemeinde zum mittelalterlichen Wigbold und zur heutigen Stadt.
Ausgrabungen in der Kirche führten auf diese Spur, denn die Archäologen fanden an gleicher Stelle Spuren von vier Vorgängerkirchen.
Das Herzstück der einschiffigen spätgotischen Kirche von 1340 ist der Steinaltar von 1501. Nicht mit Hammer und Meißel aus Stein gehauen, sondern mit dem Messer aus dem frischen Gestein geschnitzt, ist dieser Altar ein einmaliges westfälisches Kunstwerk. Seine anschauliche Bildsprache richtete sich an die Zeitgenossen, die nicht lesen und schreiben konnten.
In diesem kleinen Haus errichtete 1617 der Pfarrer Gabriel Sandhagen die erste private Schule – hundert Jahre nach der Reformation, in der Martin Luther von den Ratsherren aller deutschen Städte gefordert hatte, „christliche Schulen aufzurichten und zu halten“ aber bereits 100 Jahre vor Einführung der allgemeinen Schulpflicht im Jahre 1717.
Der Schulbesuch war für die Eltern kostenpflichtig. Die Prediger erteilten den Unterricht. Ausgebildete Lehrer gab es noch nicht. Im Sommer hatten die Kinder nur an einem Tag in der Woche Unterricht, damit sie bei der Ernte helfen konnten.
Über 200 Jahre wurde hier in einem – später zwei Klassenräumen unterrichtet.
Im ländlichen Raum war die soziale Fürsorge bis ins 19. Jhdt. hinein die Aufgabe des Adels. Er bangte um sein Seelenheil und vollbrachte deshalb gute Werke. Den normalen Bürgern fehlten dazu die Mittel. Die Kirche kümmerte sich erst später um die Diakonie.
Den Grafen von Kerssenbrock auf Haus Brinke gehörten die Häuser an der Ostseite des Kirchhofs: auf der Ecke das Steinwerk, dann nach einem kleinen Hof das dazugehörige Wirtschaftsgebäude (heute Bäckerei) und anschließend zwei Häuser unter einem gemeinsamen Dach. Hier waren arme und kranke Menschen untergebracht.
Im Armenhaus lebten zwei Familien, denen das Haus Brinke wöchentlich zehn Pfund Brot, eine Dose mit Butter und alle Festtage etwas Speck spendierte.
Das Haus diente vermutlich zunächst als Ruhesitz der Familie von Kerssenbrock auf Haus Brinke. Danach war es unter anderem Domizil der Amtsvögte Alemann und Meinders sowie der von Ledebur. Seit 1770 steht das Gebäude im Eigentum der Bäckerfamilie Heuermann – Schaaf – Welpinghus.
Das älteste Gebäude der Stadt besteht aus drei Bauteilen, die im Abstand von jeweils rund 100 Jahren errichtet wurden. Das zum Kirchplatz gelegene quadratische Steinwerk wurde bereits 1489 vermutlich als Speicher errichtet.
Im Jahre 1587 erfolgte eine Verlängerung um das Doppelte und 1695 ergänzte es der Vogt Anton Engelhard Alemann um den Querflügel zum Pfarrhaus hin.
Links auf dem Bild sieht man das klassizistische gebaute Haus, in das die Schule 1827 einzog.
Sie befand sich nun nicht mehr in kirchlicher Hand, sondern war eine kommunale Einrichtung. Hier wurde bis 1893 Unterricht erteilt. Danach zog die Schule in das stattliche Gebäude an der Schulstraße, das 1976 dem heutigen Rathaus weichen musste.
Im 20. Jahrhundert beherbergte der Bau über mehrere Jahrzehnte die Bäuerliche Bezugs- und Absatzgenossenschaft und die Spar- und Darlehnskasse, bis es dann zu einem reinen Wohngebäude umgenutzt wurde.
Drei Stationen auf dem Pium Patt befassen sich mit dem ehemaligen Leinengewerbe, das für Borgholzhausen über Jahrhunderte ein bedeutender Wirtschaftsfaktor war.
Hier im Bleichhäuschen wird die bäuerliche, handwerkliche Leinenherstellung praktiziert und vorgeführt. Dazu gehören auch die Bleichwiesen auf denen das kleine Haus stand und die heute nebenan mit dem Generationenpark belegt sind. Ebenso die Rötekuhlen, in denen der geerntete Flachs im Wasser für die weitere Verarbeitung geschmeidig gemacht wurde. Sie befinden sich gleich um die Ecke an der Straße Am Großen Moor.
An der nächsten Station erinnert das Kontorhaus an die industrielle mechanische Segeltuchweberei.
Die dritte Station bildet am Marktplatz das Thorbeckehaus, das Domizil einer erfolgreichen Leinenhändlerfamilie, auf deren Grundstück sich auch die Leinenlegge befand.
Der moderne Bürgerpark wurde auf einer ehemaligen Bleichwiese angelegt.
Zusammen mit dem Bleichhäuschen und den – 100 Meter von hier – am Großen Moor im Verlauf des Violenbachs neu angelegten Rötekuhlen bildet dieses Ensemble einen Erinnerungsort an das bäuerlich – bürgerliche Leinengewerbe, das über Jahrhunderte in Borgholzhausen eine bedeutende Rolle spielte.
Auf der Bleichwiese wurde das graue handgewebte Leinentuch ausgebreitet, um es von der Sonne bleichen zu lassen. Dabei wurde es laufend mit dem klaren Wasser des Violenbaches eingesprengt, um es aufzuhellen. Auch klare Vollmondnächte sollten für den seidenen Glanz des Tuches sorgen. All das ging natürlich nicht ohne einen Aufpasser, der für sich und seine Utensilien Unterschlupf im Bleichhäuschen fand.
Im Verlauf der Industrialisierung wurde die natürliche Bleiche durch die chemische ersetzt.
Röten = rösten = (ver-)rotten
Im Rahmen der Violenbachrenaturierung wurden 2015 die drei Rötekuhlen neu angelegt – stellvertretend für die über zwanzig Kuhlen, die sich hier einst am Violenbach entlang erstreckten. Der auf heimischen Feldern angebaute Flachs war der Rohstoff für das Leinen. Brauchbar sind jedoch nur die wertvollen inneren Fasern des Halms. Um den äußeren holzigen Teil der Pflanze zu entfernen, wurden die Stängel für gut eine Woche im Wasser einem Rottungsprozess ausgesetzt. Dies geschah in den sogenannten Rötekuhlen.
Die Flurkarte von 1825 zeigt das Große Moor mit den zahlreichen unregelmäßig angelegten Rötekuhlen.
Über Jahrhunderte stand das Große Moor als sogenanntes Markenland im Allgemeinbesitz der Bürger. Als Markgenossen nutzten sie zwar jeweils ihre eigene Kuhle hatten an dem Gelände aber kein Privat-eigentum.
Die Rötekuhlen wurden an den feuchtesten Stellen im Gelände angelegt.
Erst die Preußen brachten zu Anfang des 19. Jahrhunderts Ordnung in diese Wirtschafts-weise.
Entlang des Violenbachs entstanden über zwanzig genau parzellierte kleine Teiche mit jeweils einem Eigentümer.
Zwischen dem kleinen Bleichhäuschen und dem repräsentativen Handelshaus des Leinenhändlers Thorbecke am Marktplatz ist das Kontorhaus das einzig verbliebene Gebäude der im englischen Tudorstil erbauten Segeltuchweberei Fritz Helling & Co.
Es ist Zeuge der industriellen mechanischen Leinenproduktion, die ihre Blütezeit in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts hatte.
Die Dampfkraft und mechanische Webstühle ermöglichten eine qualitativ gleichbleibende Serienfertigung.
Mit dem Aufkommen der Dampfschifffahrt war das Zeitalter der großen Segelschiffe vorbei und das Schicksal der ravensberger Segeltuchindustrie besiegelt. Das Fabrikgelände nahm danach wechselnde Firmen auf, bis sich 1953 hier die erste westfälische Lebkuchenfabrik Schulze niederließ.
1767 erteilte der preußische König Friedrich der Große die Konzession für eine Apotheke in Borgholzhausen. Aber erst 1783 erwarb der angesehene Kaufmann Justus Heinrich Ziegler die Lizenz für seinen Sohn, der eine Ausbildung zum Apotheker erhielt.
Es folgten drei Generationen Ziegler, alle Erben trugen den Vornamen Justus. 1933 erwarb der Apotheker Dr. Moritz Koch die Apotheke, die nach seinem Tod von seinem Sohn Heinz übernommen wurde.
Dieses traufenständige Gebäude war einst ein typisches Ackerbürgerhaus mit einem Wohnteil links und dem Wirtschaftbereich mit einem großen Deelentor rechts.
Als dritte Station auf dem Pium Patt zum Thema Leinengewerbe erinnert das dominante Thorbeckehaus am Marktplatz an eine reiche Leinenhändlerfamilie.
Borgholzhausen war als Wigbold und später als Stadt ein Handelszentrum für grobes Leinen (Löwend) und verfügte deshalb über eine der drei staatlichen Leggen in der Grafschaft Ravensberg, die das Leinen auf Qualität und Maßgenauigkeit prüften.
Die Leggen wurden nicht von unabhängigen staatlichen Beamten geführt, sondern von Unternehmern, die aus den Leggegebühren, die sie von den Webern kassierten, eine Pacht an den Staat abzuführen hatten. Der Pächter einer Legge hatte also den ersten Zugriff auf die Leinenproduktion im Ravensberger Land.
Die Familie Thorbecke brachte es in Borgholzhausen auf diese Weise zu ansehnlichem Reichtum.
Das repräsentative zweigeschossige klassizistische Gebäude wurde 1840 vom Konditormeister Heinrich Schulze errichtet. Er war 1830 aus dem benachbarten Dissen im ehemaligen Königreich Hannover hierher gezogen, um sich im reicheren Preußen als Honigkuchenbäcker niederzulassen.
Seine erste Backstube befand sich zwei Häuser weiter in dem kleineren Gebäude in der Freistraße. Nach zehn Jahren hatte Schulze so viel verdient, dass er sich diesen stattlichen Bau leisten konnte. Seine Nachkommen bauten das Geschäft stetig aus und begründeten Borgholzhausens Ruf als Honigkuchenstadt.
Die Lebkuchenfabrikation befindet sich seit 1953 auf dem Gelände der ehemaligen Segeltuchweberei.