Pium Patt
Begeben Sie sich auf eine Entdeckungsreise in Borgholzhausen.
Auf dem Pium Patt* erkunden Sie Gebäude von historischer Bedeutung für diesen Ort.
Wir laden Sie auf mit interaktiven Karte interessante Informationen nachzulesen. Durch einen Klick gelangen sie zum jeweiligen Inhalt.
*Pium – Ist der Spitzname von Borgholzhausen und wird als Synonym für den Ortsnamen verwendet.
*Patt – niederdeutsche Bezeichnung für einen Weg
Kultur- und Heimathaus
Uphof
Pastorenhaus von 1654
Scharfe Ecke in Mocum Pium
Evangelische Kirche
Erste Schule
Armen- und Siechenhaus
Adeliges Steinwerk
Zweites Schulhaus
Bleichhäuschen
Kontorhaus
Zieglersche Apotheke
Thorbeckehaus
Lebkuchen Schulze
Jüdisches Viertel
Familie Weinberg
Familie Maass
Familie Hesse
Kriegerdenkmal von 1896
Zweiter Friedhof
New Haven Platz
Alte Volksschule
Rathaus
Künstlerhaus Kroe
Badeanstalt
Das traufenständige Ackerbürgerhaus mit Querdeele wurde 1799 vom Camerarius Friedrich Upmeyer für seine Bediensteten erbaut. Es ist das letzte dieser Art im Ort erhaltene Gebäude.
Seine Bewohner waren Ackerbürger. Sie lebten von einem kleinen Stück Land am Haus, das sie nicht ausschließlich ernähren konnte. Deshalb übten sie gleichzeitig ein Handwerk aus oder verdingten sich beim Bauern. Auf alle Fälle waren sie Bürger einer Stadt, denn Borgholzhausen besaß seit 1719 Stadtrechte.
Heute betreiben der Heimatverein und der Kulturverein das Haus als kleines Museum mit originalen Kostbarkeiten aus dem Ort und seiner engeren Umgebung. Die Deele dient als Versammlung- und Veranstaltungsraum.
Der Uphof ist der größte und älteste Hof in Borgholzhausen. Seine Wurzeln reichen bis in die Zeit Karls des Großen um 800 n. Chr. zurück.
Der Frankenkaiser hatte das hiesige Sachsenland nach einem 30 Jahre währenden Krieg unterworfen. Zur Wahrung der öffentlichen Ordnung betraute er ihm genehme Großbauern, die Meier (lateinisch „majores“), mit öffentlichen Aufgaben wie die niedere Rechtsprechung und die Organisation von Wehrleistungen. Aus den Meiern im Umkreis hob sich der Upmeyer als oberer d. h. bedeutenderer heraus.
Das heutige Bauernhaus im Stil des westfälischen Fachwerks wurde 1796 von Camerarius Friedrich Upmeyer errichtet.
Die Inschrift über dem Deelentor zeugt vom Selbstbewusstsein seines Erbauers: „Missgunst kann nicht schaden. Was Gott will, muß geraden. Die mir nicht gönnen und nicht geben, die müssen leiden, daß ich lebe…“
Das Fachwerkhaus diente nur für relativ kurze Zeit als Pfarrhaus, ist jedoch für das Kirchspiel und das Ortsbild bedeutsam.
Erbaut wurde es 1654 von Pfarrer Georg Dreckmann und seiner Gattin Catharina Elsabein Sandhagen aus einer traditionsreichen Pastorenfamilie. Ihr Urgroßvater führte um 1535 die Reformation in Borgholzhausen ein, und ihr Vater gründete die erste Schule im Ort. Sie selbst wurde die Stammmutter der weit verzweigten Pfarrerfamilie Drechmann und Löning.
Das große Deelentor erinnert daran, dass dieses Haus ein Ackerbürgerhaus war. Jeder Pfarrer musste seinen Lebensunterhalt mit einer eigenen Landwirtschaft sicherstellen.
Auffallend sind die Ornamente der Weserrenaissance: der Zierbalken mit seinen farbigen Halbkreisrosetten über einem reichhaltig gestalteten Schwellbalken, dessen Motive sich nicht wiederholen.
In diesem in dem ländlichen Ort auffallenden zweigeschossigen Fachwerkbau lebte um 1850 der Uhrmacher Koch, der in einem skurrilen Gedicht die Aufregung der Händler und Handwerker beschrieb, als sich in der Stadt ein weiterer Textilhändler niederlassen wollte. Hatten die Geschäftsleute doch schon genug unter der bestehenden Konkurrenz zu leiden.
Das Gedicht ist das älteste Dokument, in dem der Spitzname „Pium“ für Borgholzhausen erscheint. Es trägt den unaussprechlichen Titel „Kuüerrigge an der scharpen Ecke in Mocum Pium…“ und zeichnet ein lebendiges Bild vom täglichen Leben, in dem die gebildeten Leute Hochdeutsch, die Bauern platt und die Juden jiddisch sprachen. Trotz aller Querelen verstanden sich die Leute.
Auf dem Kirchhof begann zur Zeit Karls des Großen um 800 n. Chr. die Entwicklung des Ortes von einer kleinen bäuerlichen Gemeinde zum mittelalterlichen Wigbold und zur heutigen Stadt.
Ausgrabungen in der Kirche führten auf diese Spur, denn die Archäologen fanden an gleicher Stelle Spuren von vier Vorgängerkirchen.
Das Herzstück der einschiffigen spätgotischen Kirche von 1340 ist der Steinaltar von 1501. Nicht mit Hammer und Meißel aus Stein gehauen, sondern mit dem Messer aus dem frischen Gestein geschnitzt, ist dieser Altar ein einmaliges westfälisches Kunstwerk. Seine anschauliche Bildsprache richtete sich an die Zeitgenossen, die nicht lesen und schreiben konnten.
In diesem kleinen Haus errichtete 1617 der Pfarrer Gabriel Sandhagen die erste private Schule – hundert Jahre nach der Reformation, in der Martin Luther von den Ratsherren aller deutschen Städte gefordert hatte, „christliche Schulen aufzurichten und zu halten“ aber bereits 100 Jahre vor Einführung der allgemeinen Schulpflicht im Jahre 1717.
Der Schulbesuch war für die Eltern kostenpflichtig. Die Prediger erteilten den Unterricht. Ausgebildete Lehrer gab es noch nicht. Im Sommer hatten die Kinder nur an einem Tag in der Woche Unterricht, damit sie bei der Ernte helfen konnten.
Über 200 Jahre wurde hier in einem – später zwei Klassenräumen unterrichtet.
Im ländlichen Raum war die soziale Fürsorge bis ins 19. Jhdt. hinein die Aufgabe des Adels. Er bangte um sein Seelenheil und vollbrachte deshalb gute Werke. Den normalen Bürgern fehlten dazu die Mittel. Die Kirche kümmerte sich erst später um die Diakonie.
Den Grafen von Kerssenbrock auf Haus Brinke gehörten die Häuser an der Ostseite des Kirchhofs: auf der Ecke das Steinwerk, dann nach einem kleinen Hof das dazugehörige Wirtschaftsgebäude (heute Bäckerei) und anschließend zwei Häuser unter einem gemeinsamen Dach. Hier waren arme und kranke Menschen untergebracht.
Im Armenhaus lebten zwei Familien, denen das Haus Brinke wöchentlich zehn Pfund Brot, eine Dose mit Butter und alle Festtage etwas Speck spendierte.
Das Haus diente vermutlich zunächst als Ruhesitz der Familie von Kerssenbrock auf Haus Brinke. Danach war es unter anderem Domizil der Amtsvögte Alemann und Meinders sowie der von Ledebur. Seit 1770 steht das Gebäude im Eigentum der Bäckerfamilie Heuermann – Schaaf – Welpinghus.
Das älteste Gebäude der Stadt besteht aus drei Bauteilen, die im Abstand von jeweils rund 100 Jahren errichtet wurden. Das zum Kirchplatz gelegene quadratische Steinwerk wurde bereits 1489 vermutlich als Speicher errichtet.
Im Jahre 1587 erfolgte eine Verlängerung um das Doppelte und 1695 ergänzte es der Vogt Anton Engelhard Alemann um den Querflügel zum Pfarrhaus hin.
Links auf dem Bild sieht man das klassizistische gebaute Haus, in das die Schule 1827 einzog.
Sie befand sich nun nicht mehr in kirchlicher Hand, sondern war eine kommunale Einrichtung. Hier wurde bis 1893 Unterricht erteilt. Danach zog die Schule in das stattliche Gebäude an der Schulstraße, das 1976 dem heutigen Rathaus weichen musste.
Im 20. Jahrhundert beherbergte der Bau über mehrere Jahrzehnte die Bäuerliche Bezugs- und Absatzgenossenschaft und die Spar- und Darlehnskasse, bis es dann zu einem reinen Wohngebäude umgenutzt wurde.
Drei Stationen auf dem Pium Patt befassen sich mit dem ehemaligen Leinengewerbe, das für Borgholzhausen über Jahrhunderte ein bedeutender Wirtschaftsfaktor war.
Hier im Bleichhäuschen wird die bäuerliche, handwerkliche Leinenherstellung praktiziert und vorgeführt. Dazu gehören auch die Bleichwiesen auf denen das kleine Haus stand und die heute nebenan mit dem Generationenpark belegt sind. Ebenso die Rötekuhlen, in denen der geerntete Flachs im Wasser für die weitere Verarbeitung geschmeidig gemacht wurde. Sie befinden sich gleich um die Ecke an der Straße Am Großen Moor.
An der nächsten Station erinnert das Kontorhaus an die industrielle mechanische Segeltuchweberei.
Die dritte Station bildet am Marktplatz das Thorbeckehaus, das Domizil einer erfolgreichen Leinenhändlerfamilie, auf deren Grundstück sich auch die Leinenlegge befand.
Der moderne Bürgerpark wurde auf einer ehemaligen Bleichwiese angelegt.
Zusammen mit dem Bleichhäuschen und den – 100 Meter von hier – am Großen Moor im Verlauf des Violenbachs neu angelegten Rötekuhlen bildet dieses Ensemble einen Erinnerungsort an das bäuerlich – bürgerliche Leinengewerbe, das über Jahrhunderte in Borgholzhausen eine bedeutende Rolle spielte.
Auf der Bleichwiese wurde das graue handgewebte Leinentuch ausgebreitet, um es von der Sonne bleichen zu lassen. Dabei wurde es laufend mit dem klaren Wasser des Violenbaches eingesprengt, um es aufzuhellen. Auch klare Vollmondnächte sollten für den seidenen Glanz des Tuches sorgen. All das ging natürlich nicht ohne einen Aufpasser, der für sich und seine Utensilien Unterschlupf im Bleichhäuschen fand.
Im Verlauf der Industrialisierung wurde die natürliche Bleiche durch die chemische ersetzt.
Röten = rösten = (ver-)rotten
Im Rahmen der Violenbachrenaturierung wurden 2015 die drei Rötekuhlen neu angelegt – stellvertretend für die über zwanzig Kuhlen, die sich hier einst am Violenbach entlang erstreckten. Der auf heimischen Feldern angebaute Flachs war der Rohstoff für das Leinen. Brauchbar sind jedoch nur die wertvollen inneren Fasern des Halms. Um den äußeren holzigen Teil der Pflanze zu entfernen, wurden die Stängel für gut eine Woche im Wasser einem Rottungsprozess ausgesetzt. Dies geschah in den sogenannten Rötekuhlen.
Die Flurkarte von 1825 zeigt das Große Moor mit den zahlreichen unregelmäßig angelegten Rötekuhlen.
Über Jahrhunderte stand das Große Moor als sogenanntes Markenland im Allgemeinbesitz der Bürger. Als Markgenossen nutzten sie zwar jeweils ihre eigene Kuhle hatten an dem Gelände aber kein Privat-eigentum.
Die Rötekuhlen wurden an den feuchtesten Stellen im Gelände angelegt.
Erst die Preußen brachten zu Anfang des 19. Jahrhunderts Ordnung in diese Wirtschafts-weise.
Entlang des Violenbachs entstanden über zwanzig genau parzellierte kleine Teiche mit jeweils einem Eigentümer.
Zwischen dem kleinen Bleichhäuschen und dem repräsentativen Handelshaus des Leinenhändlers Thorbecke am Marktplatz ist das Kontorhaus das einzig verbliebene Gebäude der im englischen Tudorstil erbauten Segeltuchweberei Fritz Helling & Co.
Es ist Zeuge der industriellen mechanischen Leinenproduktion, die ihre Blütezeit in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts hatte.
Die Dampfkraft und mechanische Webstühle ermöglichten eine qualitativ gleichbleibende Serienfertigung.
Mit dem Aufkommen der Dampfschifffahrt war das Zeitalter der großen Segelschiffe vorbei und das Schicksal der ravensberger Segeltuchindustrie besiegelt. Das Fabrikgelände nahm danach wechselnde Firmen auf, bis sich 1953 hier die erste westfälische Lebkuchenfabrik Schulze niederließ.
1767 erteilte der preußische König Friedrich der Große die Konzession für eine Apotheke in Borgholzhausen. Aber erst 1783 erwarb der angesehene Kaufmann Justus Heinrich Ziegler die Lizenz für seinen Sohn, der eine Ausbildung zum Apotheker erhielt.
Es folgten drei Generationen Ziegler, alle Erben trugen den Vornamen Justus. 1933 erwarb der Apotheker Dr. Moritz Koch die Apotheke, die nach seinem Tod von seinem Sohn Heinz übernommen wurde.
Dieses traufenständige Gebäude war einst ein typisches Ackerbürgerhaus mit einem Wohnteil links und dem Wirtschaftbereich mit einem großen Deelentor rechts.
Als dritte Station auf dem Pium Patt zum Thema Leinengewerbe erinnert das dominante Thorbeckehaus am Marktplatz an eine reiche Leinenhändlerfamilie.
Borgholzhausen war als Wigbold und später als Stadt ein Handelszentrum für grobes Leinen (Löwend) und verfügte deshalb über eine der drei staatlichen Leggen in der Grafschaft Ravensberg, die das Leinen auf Qualität und Maßgenauigkeit prüften.
Die Leggen wurden nicht von unabhängigen staatlichen Beamten geführt, sondern von Unternehmern, die aus den Leggegebühren, die sie von den Webern kassierten, eine Pacht an den Staat abzuführen hatten. Der Pächter einer Legge hatte also den ersten Zugriff auf die Leinenproduktion im Ravensberger Land.
Die Familie Thorbecke brachte es in Borgholzhausen auf diese Weise zu ansehnlichem Reichtum.
Das repräsentative zweigeschossige klassizistische Gebäude wurde 1840 vom Konditormeister Heinrich Schulze errichtet. Er war 1830 aus dem benachbarten Dissen im ehemaligen Königreich Hannover hierher gezogen, um sich im reicheren Preußen als Honigkuchenbäcker niederzulassen.
Seine erste Backstube befand sich zwei Häuser weiter in dem kleineren Gebäude in der Freistraße. Nach zehn Jahren hatte Schulze so viel verdient, dass er sich diesen stattlichen Bau leisten konnte. Seine Nachkommen bauten das Geschäft stetig aus und begründeten Borgholzhausens Ruf als Honigkuchenstadt.
Die Lebkuchenfabrikation befindet sich seit 1953 auf dem Gelände der ehemaligen Segeltuchweberei.
Im jüdischen Viertel im Bereich der Tanfana-, Kaiser- und Mittelstraße und dem Klingenhagen lebten seit dem 19. Jahrhundert die Familien Weinberg, Hesse, Kemper, Polly und Meyerson. Auch eine kleine, 1822 erbaute Synagoge mit Schule gab es hier. Das Synagogengebäude sowie das Geschäftshaus der Familie Weinberg sind bis heute erhalten. Nach der Blüte des jüdischen Lebens Anfang des 19. Jahrhunderts mit 76 Personen in 19 Haushalten wanderten seit der Mitte des 19. Jahrhunderts einige jüdische Familien aus. Andere zog es in größere Städte, wo viele von ihnen erfolgreiche Kaufleute wurden. Die Synagoge wurde 1931 aufgegeben, als die jüdische Gemeinde zu klein geworden war. Die letzte Familie verließ 1937 Borgholzhausen, nachdem ihr das örtliche NS-Regime und Teile der Bevölkerung das Leben zunehmend erschwert hatten.
Die Kaufmannsfamilie Weinberg war seit 1842 in Borgholzhausen ansässig, bis in die 1930er Jahre in dem repräsentativen Wohn- und Geschäftshaus in der Mittelstraße 1. Der letzte Inhaber Max Weinberg handelte gemeinsam mit seinem Schwager Max Bauer mit Landprodukten, Stoffen, Haushalts- und Modewaren. Er war auch der letzte Synagogenvorstand der jüdischen Gemeinde. 1937 musste die Familie ihr Geschäft aufgeben und zog nach Hannover. Max Weinbergs Frau Selma und seine Töchter Gisela wurden 1942 von den Nationalsozialisten nach Riga deportiert, von dort aus 1944 nach Stuttdort, wo beide ermordet wurden. Nur Sohn Hans überlebte, da er nach England fliehen konnte.
Die Familie Bauer verließ 1932 Borgholzhausen. Keiner der Angehörigen überlebte den Holocaust, den millionenfachen Mord an Jüdinnen und Juden.
Pastoren, Ackerbürger, Kaufleute, Chirurgen, Pferdehändler: sie alle gehörten zur langen Liste der Eigentümer dieses Hauses – wie auch die jüdische Familie Maass. Drei Generationen haben von 1844 bis 1920 in diesem Gebäude gelebt. 1875 wurde Adolf Maass hier geboren. Er baute ab 1902 die Hamburger Niederlassung der Spedition Kühne+Nagel auf und war ab 1928 mit 45 Prozent daran beteiligt. Im Zuge der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 wurde Adolf Maas entschädigungslos aus dem Unternehmen gedrängt. Er wurde 1945 zusammen mit seiner aus Herford stammenden Ehefrau Käthe geb. Elsbach im Vernichtungslager Auschwitz ermordet.
Andere Angehörige verzogen in andere Städte, unter ihnen Hanna Maass verh. Friedheim. Einige ihrer Nachfahren überlebten den NS-Terror. Sie leben heute in der ganzen Welt verstreut und halten immer noch den Kontakt nach Borgholzhausen und zu diesem Haus.
Hier lebte bis 1931 die jüdische Familie Hesse. Die Vorfahren der erfolgreichen Kaufmannsfamilie sind seit 1818 in Borgholzhausen nachzuweisen. Bekannt wurde aus der zuletzt hier lebenden Familie von Rikchen und Samuel Hesse deren Sohn Julius Hesse. Er hatte ein erfolgreiches Sport-und Schuhgeschäft am Alten Markt in Bielefeld und wurde 1909 Vereinspräsident von Arminia Bielefeld. Als die Nationalsozialisten an die Macht kamen, wurde er aus dem Verein gedrängt, sein Geschäft wurde boykottiert und schließlich enteignet. 1943 deportierte man ihn mit seiner Frau nach Theresienstadt und beide fanden dort den Tod. Sein Bruder Jakob Hesse führte das Geschäft in Borgholzhausen bis zu seinem Tod 1931. Seine Familie zog nach Gelsenkirchen und wurde 1944 in Auschwitz ermordet.
Am 16. August 1896 wurde das Kriegerdenkmal auf dem Kirchplatz in Borgholzhausen eingeweiht. Seinerzeit war Pium Teil des Deutschen Kaiserreichs, das 1871 entstanden war. Vorausgegangen waren drei Kriege, die später als „Einigungskriege“ in die Geschichte eingingen: der deutsch-dänische Krieg (1864), der deutsch-österreichische Krieg (1866) und der deutsch-französische Krieg (1870/71).
Das monumentale und für die damalige Zeit typische Kriegerdenkmal verherrlicht diese drei für Deutschland zwar siegreichen, doch gleichwohl sehr gewaltsamen Kriege. Außerdem glorifiziert es das Kaiserreich. Allerorten war eine enorme Begeisterung für Kaiser und Reich spürbar – auch in Borgholzhausen. Die Bevölkerung identifizierte sich mit Monarchie und Militarismus. Von all dem kündet das Kriegerdenkmal. Heutzutage werden die damaligen Werte und Anschauungen sehr kritisch betrachtet.
Hier befand sich von 1781 bis 1839 der zweite Friedhof der Stadt. Der Friedhof an der Kirche war zu klein geworden. Eine geeignete letzte Ruhestätte zu finden, erwies sich zunehmend als kompliziert, weshalb Borgholzhausen seit 1763 einen Totengräber beschäftigte und die Trauerfamilien nicht länger selbst Gräber schaufelten. Das rasche Wachstum des Kirchspiels führte trotzdem zu großem Platzmangel, sodass ein neuer Friedhof entstehen musste, nicht ganz ohne Proteste aus der Gemeinde. Es war der erste nicht an der Kirche gelegene – und fern des Herrn bestattet zu werden, war eine Idee, die nicht jedem gefiel. Nach der Eröffnung des dritten Friedhofs am Hohen Garten wurde auf dem ehemaligen zweiten Friedhof ein Wohn- und Geschäftshaus mit Textilgeschäft errichtet, nach dem es als Woge-Gelände bekannt wurde. Die alte Friedhofsmauer blieb bis heute erhalten.
Der New Haven Platz wurde 2020 nach einem Ideenwettbewerb unter Beteiligung der Borgholzhauser Bevölkerung neugestaltet. Anlass war die notwendige Fällung einer 20 Meter hohen Trauerbuche, die 130 Jahre lang das Stadtbild prägte. An ihrer Stelle steht nun eine Sommerlinde.
Das Denkmal „Hands Across the Sea“ erinnert an die Partnerschaft Borgholzhausens mit New Haven, Missouri (USA), und wurde von einem Mitglied zum 20-jährigen Jubiläum des Deutsch-Amerikanischen Freundeskreises gestiftet. Eingerahmt wird es von Blüten-Hartriegeln, dem Staatsbaum von Missouri. Das Denkmal erinnert an die Auswanderungsgeschichte vom Ravensberger Land in die USA ab Mitte des 19. Jahrhunderts. Die Städtepartnerschaft entstand 1994 aus einem Besuch von US-Amerikanern, die auf der Suche nach Spuren ihrer Vorfahren waren. Im gleichen Jahr gründete sich der Freundeskreis. Seither bestehen regelmäßiger Austausch von Besuchsgruppen und viele Einzelkontakte zwischen den Städten.
Warum heißt die „Schulstraße“ eigentlich „Schulstraße“? Die Antwort lautet: Der Straßenname erinnert an die frühere Volksschule, die zwischen 1894 und 1968 genutzt wurde. Zuvor waren die Kinder am Kirchplatz zur Schule gegangen, wo bereits seit der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts eine Bildungseinrichtung existierte. Da insbesondere ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Einwohnerzahl rapide zunahm, war nicht mehr genügend Platz in den kleinen Schulen unweit der Kirche. Deshalb entschloss sich der Stadtrat, außerhalb des eigentlichen Ortskerns eine neue Volksschule zu errichten. Protest gab es vor allem aufgrund der Finanzierung des repräsentativen Bauwerks. Die Lehranstalt umfasste sechs Klassenzimmer und die zugehörigen Nebenräume. 1929 kam noch eine Turnhalle hinzu. Die Volksschule wich Ende der 1960er Jahre dem Neubau des Rathauses. Die neue Volksschule an der Osningstraße wurde 1968 eingeweiht.
1969 schlossen sich die bis dahin eigenständigen Gemeinden des Amtes Borgholzhausen im Zusammenhang mit der kommunalen Neugliederung zur „Stadt Borgholzhausen“ zusammen. Aus der Amts- wurde die Stadtverwaltung.
Ursprünglich beabsichtigte die Behörde, die sich bis dahin am Kirchplatz befand, in die alte Volksschule zu ziehen, die wegen eines Schulneubaus 1968 abkömmlich war. Aufgrund der Baufälligkeit verwarf man diesen Plan. Die frühere Schule wurde Ende 1971 abgerissen und schuf somit Fläche für einen Verwaltungsneubau.
1975 erfolgte die Grundsteinlegung und am 11. Dezember 1976 wurde das Rathaus eingeweiht. Neben neuen Räumlichkeiten für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gehört auch ein großer Sitzungssaal zum Rathaus. Hier tagt der Rat. Zuvor war es ganz normal gewesen, dass die Gemeinde- und Stadträte in Gaststätten zusammenkamen. Das änderte sich nun fundamental.
Hier lebten und wirkten die Borgholzhausener Musikpädagogin Gertrud „Trudi“ Schlömann und ihr Mann, der Maler Walter „Kroe“ Krömmelbein, von 1947 bis 1988. Das Ehepaar brachte sich aktiv ins Kulturleben der Stadt ein, beide waren tätig in den Bereichen Musik, Theater und Malerei, was dem Haus den Beinamen „Künstlerhaus“ verschaffte. Während Trudi Generationen von Kindern Instrumentalunterricht gab, wirkte Kroe als Kunsterzieher an hessischen Schulen, schloss sich als Maler der avantgardistischen Quadriga an und ist mit 1.700 bekannten Werken unter anderem als Vertreter des Informel bekannt geworden.
Krömmelbeins ließen sich 1947 hier nieder. Das Haus befand sich seit 1827 im Besitz der Familie. Das Fachwerkhaus wurde 1823 als neue Hofstelle von H.W. Kötting und seiner Frau K.W. Brinckkötter erbaut. Das Grundstück gehörte zuvor zum Hof Meyer-Nolte. Von den Umbauplänen 1947 vor dem Einzug der Krömmelbeins existieren zahlreiche Skizzen von Kroe.
Nach dem Tod von Trudi und Kroes ältestem Sohn Claudius 2014 brachte die Familie das Haus und Kroes gesamtes künstlerisches Werk in die Kroe-Stiftung ein. Heute befindet sich in den unteren Räumen das private Museum mit einer kleinen Dauerausstellung, das Obergeschoss ist bewohnt. Das Museum öffnet nach Terminabsprache für Besucherinnen und Besucher.
Borgholzhausen wünscht sich eine Badeanstalt! Im Frühjahr 1914 entstand der Wunsch nach einer Badeanstalt. Doch es sollten noch Jahre vergehen, ehe dieser Traum Wirklichkeit wurde. Krieg und Wirtschafskrise verzögerten die Umsetzung. Doch Anfang 1925 starteten die Abrissarbeiten auf dem Gelände der früheren Getreide- und Zementmühle Farthmann. Das Wasser des Violenbachs wurde für das Schwimmbecken genutzt. Obwohl noch nicht alles fertig war, konnten im Sommer 1925 bereits die ersten Badegäste begrüßt werden. Fortan nutzten neben der Schule auch die angrenzende Jugendherberge sowie Gäste aus nah und fern das Bad – natürlich streng nach Geschlechtern getrennt und unter besonderer Beachtung der Bekleidungsvorschriften.
Die Benutzung der Badeanstalt ist denjenigen Personen, welche mit einer ansteckenden oder ekelerregenden Krankheit, insbesondere einer Geschlechtskrankheit oder mit offenen Wunden, behaftet sind, verboten. […] Niemand darf die Badeanstalt ohne Badehose oder Badeanzug benutzten. Ebenso darf die Badeanstalt in Badehose oder Badeanzug nicht verlassen werden. Das Tragen von Badehosen ist nur männlichen Personen gestattet, wenn die Hosen mit an den Körper anschließenden Beinlängen versehen sind. Auffällige, das sittliche Empfinden verletzende, insbesondere in Farbe und Stoff durchsichtige Badebekleidung ist nicht gestattet.“
Werktags zwischen 13.00 Uhr und 16.00 Uhr war die Badeanstalt für Erwachsene und Kinder männlichen Geschlechts geöffnet, zwischen 16.00 Uhr bis 18.00 Uhr für Frauen und von 18.00 Uhr bis 20.00 Uhr wiederum für Männer. Dabei schärfte der Aufseher den Besucherinnen und Besuchern ein: „Die Badegäste haben sich so frühzeitig wieder anzukleiden, daß der Wechsel in der Badezeit […] pünktlich und ohne Störung von statten geht.“